In unseren letzten Blogeinträgen ging es um das Lesen. Hans Brügelmann wies auf das Bedeutung des leisen und funktionalen Lesens hin (lesen Sie hier), Natalie Bors beschrieb Lesesternstunden (lesen Sie den Beitrag hier).
Kaum eine Person wird die Bedeutung des Leseunterrichts in der Grundschule anzweifeln. In den ersten vier Schuljahre wird der Grundstein gelegt für den weiteren Umgang mit geschriebener Sprache. Kinder, die in dieser Zeit scheitern, sind meist nicht mehr in der Lage, Lesekompetenzen hinreichend weiterzuentwickeln.
In meinem Beitrag möchte auf die Bedeutung der ersten zwei Jahre in der Schule eingehen. Dabei richte ich den Blick auf solche Kinder, die Zeiten für das leisen und funktionale Lesen mit Blicken aus dem Fenster verbringen, weil sie vielleicht die ersten Schritte des Lesens gegangen sind, aber die Leseentwicklung sehr früh stagniert und damit die Entwicklung eines positiven Selbstkonzepts als Leserin bzw. Leser stark gehemmt ist.
Dabei soll dieser Beitrag keine Lösung anbieten, aber ich möchte eine Situation beschreiben, in der sich für mich ein großes Dilemma mit diesen Kindern gezeigt hat. Ich würde mir jedoch explizit wünschen, dass unsere Leserinnen und Leser Ihre Erfahrungen und Kompetenzen mit solchen Kindern einbringen.
Als ich in einer ersten Klasse unterrichtete - es war mittlerweile fast 2/3 des ersten Schuljahres vorbei und viele Kinder konnten bereits gute lesen, andere taten sich jedoch noch sehr schwer - betonte ich am Elternnachmittag die Bedeutung des täglichen Lesenübens. Im Anschluss kam der Vater eines Kindes zu mir, von dem ich wusste, dass es sich sehr schwer tat mit dem Lesen. Er versicherte, dass er mit seinem Sohn lesen wolle und das auch immer wieder sagen würde, aber der Sohn sofort ablehnend reagieren würde und erklären würde, er könnte die zu lesenden Texte nicht lesen. In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Wie sollen Familien mit ihren Kindern zu Hause lesen üben, wenn sie kein passendes Lesematerial haben? Dabei wurde mir die Bedeutung der Zone der proximalen Entwicklung noch klarer: In kaum einem anderen Bereich benötigen Kinder mit Schwierigkeiten Leseangebote, die sie motivieren, die sie aber auch unterstützen, ihr Können zu zeigen und ihre Kompetenzen auszubauen.
Doch was ist ein passendes Lesematerial? Wie finde ich Material, das die Kinder lesen können? Dafür ist es unerlässlich zu wissen, was das Kind schon kann: Welche Buchstaben kennt es (nicht)? Kann es offene Silben lesen? Kann es geschlossene Silben lesen? Hat es bereits verstanden, dass Buchstaben unterschiedliche lautliche Repräsentanten haben, je nachdem, wo sie in der Silbe stehen?
Aufbauend auf diesen Überlegungen habe ich Lesematerial entwickelt, das in verschiedenen Stufen konzipiert wurde und Lese-Mal-Heften entspricht. Die Kinder lesen etwas und sollen dann etwas anmalen oder malen. Nutzen konnte ich wunderbare Illustrationen von Manuela Ostadal aus München, die die Bilder für mich im Rahmen eines Eu-Projekts zeichnete.
Zudem erstellte ich eine Liste, die Meilensteine des frühen Lesens enthält. Sie diente für mich als Beobachtungsliste um unterrichtsbegleitend herauszufinden, was das Kind schon konnte und worin es Schwierigkeiten hatte.
Als ich diese Hefte in der Schule einsetzte, erlebten sich die Kinder, die mit den Texten im Lesebuch überfordert waren, als kompetent. Begeistert lasen sie die Hefte und fragten nach immer mehr Heften, die ich willig ergänzte. Am Ende des ersten Schuljahres kam der Vater des o.g. Jungen auf mich zu und fragte: "Mein Sohn liest jetzt gut, oder?" Zu Hause hatte das Kind den Eltern immer und immer wieder die Texte aus seinem Leseheft vorgelesen und hatte so seine Lesekompetenzen erheblich ausgebaut.
Die Lesehefte und die Meilensteine des frühen Lesens stellen kein Patentrezept dar. Bestimmt sind in manchen Heften auch noch eigene Tippfehler, da ich manches Heft in Eile erstellen musste, weil die Kinder nach einer Fortsetzung fragten.
Das gesamte Material steht kostenlos zur Verfügung. Sie finden es hier am Ende der Seite.
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