Gibt es eigentlich Mitgliederinnen? Geschlechtersensitive Sprache

In meiner Funktion als DGLS Schriftführerin kümmere ich mich um das Verfassen unterschiedlicher Textsorten, wie z.B. die Mitteilungsseiten in der vierteljährlich erscheinenden pädagogischen Zeitschrift Grundschulunterricht Deutsch vom Oldenbourg Verlag. Als ich bei einer Ausgabe ein Dankeschön an unsere Mitglieder und Mitgliederinnen aussprach, machte mich die Redakteurin auf die nicht übliche weibliche Form Mitgliederinnen aufmerksam, denn sie habe bei der Wörterbuchrecherche diese nicht finden können. Im Deutschen Wörterbuch Wahrig, Ausgabe 2000 finde ich den Eintrag ´Mitglied, Angehöriger eines Vereins, Klubs, einer Partei, Sekte od. sonstigen Körperschaft`. Ein weiteres Beispiel ´Mechaniker` ist ebenfalls nur in der männlichen Form belegt und wird erklärt mit ´Facharbeiter im Metallgewerbe für feine und schwierige Arbeiten; Facharbeiter, der Maschinen instand hält`. Unter Friseur (Handwerker, der anderen das Haar pflegt, schneidet und in Form bringt sowie den Bart rasiert oder pflegt) wird auch die weibliche Form Friseurin = Friseuse (Haarpflegerin, Haarkünstlerin) aufgeführt, allerdings mit erstaunlich unterschiedlichen Berufsbeschreibungen.

„Geschlechtersensitive Sprache kann helfen, dass Kinder ihre Interessen und ihr Lernverhalten nicht an Geschlechtsstereotypen ausrichten“ behauptet die Autorin Bettina Hannover in ihrem Aufsatz ´Mit Sprache Wege öffnen`, der in der Zeitschrift Grundschule 5-2019, S. 18-20 veröffentlicht wurde. In einer geschlechtersensitiven Sprache wird das generische Maskulinum (der Lehrer) entweder durch neutrale Sprachformen (die Lehrkraft) neutralisiert, oder aber durch beide Formen (der Lehrer und die Lehrerin) feminisiert. Ob diese Sensibilisierung Einfluss auf entscheidende Handlungsweisen hat, wird in dem Aufsatz thematisiert. Besonders eindrucksvoll sind die Ergebnisse einer Studie (Verwecken, Dries/Hannover (2015) in: Social Psychology, 46/2,S. 76-92), die „Effects of gender fair job descriptions on children´s perceptions of job status, job difficulty, and vocational self-efficacy“ untersuchte und zeigte, „dass sich die Kinder unter der geschlechtssensitiven Sprachbedingung signifikant stärker zutrauten, die typisch maskulinen Berufe erfolgreich erlernen zu können“ (ebda, S.19).

Für die Unterrichtspraxis formuliert Bettina Hannover Beispiele, wie in geschlechtsneutralen Kontexten sprachlich neutralisierende Formen genutzt werden, damit das generische Maskulinum vermieden wird. So solle man die Frage danach, wer heute Tafeldienst hat, beispielsweise mit dem Satzanfang „welches Kind hat… oder „wer von euch hat…“ formulieren. Weitere Beispiele biete die Pädagogin Birgit Brockerhoff unter https://bit.ly/2WF8Cyg mit ihren umfangreichen Ausführungen zu Sprache und Gender.

Wenn wir den Einfluss von Geschlechterstereotypen reduzieren, können wir einen Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit leisten, damit „Schülerinnen und Schüler ihre Interessen und ihr Lernverhalten nicht danach ausrichten, ob die jeweilige Domäne laut Geschlechterstereotypen zu ihrem Geschlecht ´passt` oder ´nicht passt`.“ (ebda, S.19).

1 Antwort

  1. Liebe Erika,

    schön, dass das Thema hier angesprochen wird! Es sollte immer wieder ein Denkanstoß sein, die bestehenden Stereotypisierungen von Geschlecht zu hinterfragen und vor allem sollte nach Anregungen gesucht werden, wie wir Kinder auch dafür sensibilisieren können, dass Sprache eben doch Fakten schafft.
    Schwierig ist dabei allerdings immer noch, dass eine Zweigeschlechtlichkeit unser Denken und (Sprach-)Handeln dominiert, denn die Konstruktion dieses Dualismus trifft ja nur bedingt auf eine empirische Wirklichkeit. In den Klassen haben wir Kinder sitzen, die biologisch nicht ganz eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können. In noch größerem Maße haben wir aber Kinder dort, die sich darin wohlfühlen, einen Teil des geschlechtskonträren gesellschaftlich zugeschriebenen Verhaltens in anderen Formen zu erproben: Jungen, die gerne auf dem Ponyhof reiten, Mädchen, die den ganzen Nachmittag schrauben. Jungen, die gern mal ein Kleid oder einen Rock tragen würden, Mädchen, die richtig hart zuschlagen, sowie man sie nur antickt (um hier mit stereotypischen Beispielen aufzuwarten).
    Alle sprachlichen Formen der Zweigeschlechtlichkeit verstärken den Eindruck, dass “Geschlecht” ein binäres Konzept wäre – dem ist ja aber nicht so, was vom Verfassungsgericht ja auch in biologischer Sicht schon festgestellt wurde.
    Das sollte sich auch sprachlich niederschlagen und binäre Formulierungen sollten vermieden werden. Das ist nicht einfach, und in einer Broschüre der AG Feministisches Sprachhandeln Humboldt Universität Berlin „Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_ortungen statt Tatenlosigkeit!“ (http://feministisch-sprachhandeln.org/wp-content/uploads/2015/04/sprachleitfaden_zweite_auflage.pdf) werden verschiedene Sprachformen diskutiert und jeweils ihre Vor- und Nachteile aufgezeigt. Eine spannende Lektüre, die sicher zum Nachdenken anregt – und vielleicht ja auch mal zu dem einen oder anderen Ausprobieren und Diskutieren im Rahmen von Grundschularbeit anregt.
    Christoph Jantzen, Universität Koblenz-Landau/Universität Hamburg