Lieder zur Sprachförderung

Dr. Hanna Sauerborn

PH Freiburg und Adolf-Reichwein Schule

Freiburg, 2017

Den Gesamten Text können Sie hier als PDF herunterladen:

MLM_Lieder_zur_Sprachförderung

Worum geht es?

Lieder eignen sich hervorragend zum Einsatz in der Sprachförderung

Beim Singen von Liedern lernen Kinder nicht nur in musikalischer Hinsicht, sondern auch sprachliches Lernen findet wie nebenbei statt.

Gemeinsamkeiten von Musik und Sprache

Musik und Sprache haben viele Gemeinsamkeiten: „Die melodisch-harmonischen und rhythmischen Merkmale einer musikalischen Phrase lassen sich mit den syntaktischen Merkmalen eines gesprochenen oder geschriebenen Satzes durchaus vergleichen“ (Zaiser 2005, S. 15). Auch beim Spracherwerb spielen Rhythmik und Sprachmelodie eine wichtige Rolle, Sprache wird zudem nie monoton erworben.

Erwerb von Chunks

Wenn Kinder Lieder singen, produzieren sie Wörter in Chunks (à Chunks). Das sind sprachliche Einheiten, die größer als ein Wort sind. Chunks kann man auch als quasi-lexikalisierte Elemente bezeichnen (Müller-Hartmann & Schocker 2016), d.h., sie können als Einheit wie ein Wort gelernt werden. Erst nach und nach entsteht das Bewusstsein für die einzelnen Wörter und ihre Zusammensetzung. Chunks helfen Sprachlernenden schnell sprachliche Äußerungen zu produzieren und ermöglichen einen kreativen Umgang mit Sprache. Sie werden vor allem durch Automatisierung erworben (Weinert 1995, S. 195).

Lieder unterstützen den Erwerb von Wörtern

Wörter werden vor allem dann gelernt, wenn Kinder sich in einem sozialemotionalen Beziehungsgeflecht wahrnehmen und darin handeln (Zaiser 2005, S. 16). Das gemeinsame Singen von Liedern ist ein gemeinschaftlicher Akt. Zudem werden Wörter besonders gut in einem emotionalen Kontext erworben (Spitzer 2004, S. 73 und 75), der durch Musik geschaffen werden kann.

Verwendung von Handzeichen

In Liedern verbinden sich Ausdrucksmittel von Sprache und Musik (Zaiser 2005, S. 33). Wird zudem Gestik und Mimik eingesetzt, kommt eine dritte Komponente hinzu: die Bewegung. Gestik und Mimik können den Inhalt des Textes unterstreichen bzw. ausdeuten. „Der Text wird über eine Verknüpfung mit inhaltlichen Gesten und Bewegungen lebendig und prägt sich in seiner rhythmisch-melodischen Struktur leichter ein“ (Zaiser 2005, S. 35).

Einsatzmöglichkeiten

Sprachförderung

Wortschatzerweiterung

Bei der Einführung eines neuen Lieds können Wörter besprochen werden. Bei gleichzeitigem Einsatz von Gestik und Mimik, werden neue Wörter mit einer Handlung verbunden, die später auch losgelöst vom Lied als gedächnistunterstützende Geste eingesetzt werden kann. Durch jedes Singen des Liedes wird das Wort in einer Äußerung wiederholt, das erleichtert den Erwerb der Wörter.

Erwerb von Chunks

Wie bereits weiter oben dargestellt, können durch die Behandlung von Liedern nicht nur einzelne Wörter, sondern ganze Chunks erworben werden. Das ist besonders produktiv für das Sprachenlernen, denn die Kinder können Äußerungen produzieren, ohne dabei den kognitiven Apparat zu sehr zu beanspruchen.

Schreibförderung

Schreiben von Wörtern und Sätzen

Die Wörter aus dem Lied können in das eigene Wörterheft der Kinder eingetragen und ggf. in verschiedenen Formen flektiert werden.

Leseförderung

Lesen von Wörtern und Sätzen

Das Lied kann kombiniert werden mit Fotos (http://euliteracy.eu/fotomaterial-zur-sprachforderung/). So können Wörter und einfache Sätze passend zum Lied gelesen werden.

Vorteile

  • Beim Singen von Liedern findet Sprachförderung nicht isoliert, sondern ganzheitlich statt.
  • Die Verbindung von Musik, Handzeichen und Text unterstützt den Spracherwerb.
  • Das Singen von Liedern motiviert Kinder.
  • Kinder erwerben ganze Chunks.

Tipps für den Unterricht

Einführung von einem neuen Lied

Zunächst kann nur die erste Strophe und der Refrain gesungen werden. Die Kinder stehen mit der Lehrerin in einem Kreis. Das Lied wird zunächst vorgespielt und die Lehrerin singt gleicht mit und macht die jeweiligen Zeichen. Anschließend wird zunächst die erste Strophe (bzw. der Refrain) vorgesprochen und mit Handzeichen begleitet, die Kinder sprechen dann nach. Dabei wird schon auf rhythmisches Sprechen geachtet.

Je nach Anzahl der Strophen werden zunächst erst einige eingeführt und nach und nach die restlichen.

Lieder anderen vorsingen

Meistens haben die Kinder viel Spaß, Lieder anderen vorzusingen. Manchmal kann man z.B. die Sekretärin ins Klassenzimmer einladen oder auch einer anderen Klasse ein Lied vorsingen.

Auswahl von Liedern

Ob ein Lied geeignet ist oder nicht, hängt von der Perspektive des Betrachters ab. Aus musikalischer Sicht mag ein Lied, das für die Sprachförderung besonders geeignet erscheint, weniger ansprechend sein und andersherum. Im Kontext der Sprachförderung hilft es, wenn die Melodie eingänglich ist. Auch Wiederholungen und Reime erleichtern das Memorieren.

Zaiser (2005, S. 34) schlägt die folgenden Kriterien vor:

  • Tonlage zwischen c1 und f2
  • Tonumfang bis zu einer Oktave
  • Keine großen Intervallsprünge (Abstände der Tonhöhen)
  • Rhythmisch lebendig,
  • etwaige besondere Schwierigkeiten wie Synkopen oder Änderung der Taktart beachten
  • Text, der sich mit den kindlichen Interessen, ihrer Erfahrungs-, Gefühls-, Sprach- und Vorstellungswelt auseinandersetzt
  • Situativer oder thematischer Bezug zu einem übergeordneten Thema (Zaiser 2005, S. 34)

Hier können Sie Materialien als PDF herunterladen:

MLM_Hier_komme_ich

MLM_Jahreszeitenlied

MLM_Schulsachenlied

MLM_Brillenlied

Quellen

Müller-Hartmann, A & Schocker, M 2016, 'Let's Chunk It! Wortschatz und Grammatik integriert entwickeln', Der fremdsprachliche Unterricht. Englisch, vol. 50, no. 140, pp. 2–8.

Weinert, R 1995, 'The Role of Formulaic Language in Second Language Acquisition. A Review', Applied Linguistics, vol. 16, no. 2, pp. 180–205.

Zaiser, D 2005, Musik und Rhythmik in der Sprachförderung. Available from: http://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs/384_Expertise_Musik_Zaiser.pdf [04 June 2017]