Lese-Sternstunden

Wie wird ein Mensch zu einer oder einem begeisterten und guten Leser*in? Diese Frage stellen sich täglich viele Lehrkräfte. Das Entscheidende dabei ist in meinen Augen die Lesemotivation. Ein Kind, das verstanden hat, dass ihm die Welt mit allen ihren Informationen offensteht, wenn es lesen kann, liest aus Begeisterung viel. Vielleicht liest es zu Anfang langsam oder kann nicht alle Wörter lesen, aber es WILL lesen.

Dazu möchte ich eine kleine Begebenheit erzählen: In unsere Schule kommt eine pensionierte Dame, Frau Böhmer, mehrmals pro Woche als Lesetrainerin. Sie selbst hat den Begriff geprägt – sie sagt, Kinder assoziieren das mit ihren Sportrainerinnen und -trainern, denen sie vertrauen, wenn sie sich verbessern wollen. Wenn Frau Böhmer kommt, dürfen einzelne Kinder mit ihr in die Schulbücherei gehen und lesen. Vor einiger Zeit gab es ein neues Kind in der Klasse, das bereits ein 1. Schuljahr an einer anderen Schule hinter sich hatte, aber nicht lesen gelernt hatte: Mohammed. Mohammed sprach sehr wenig Deutsch und war bisher ohne Leseerfahrungen aufgewachsen. Frau Böhmer redete zunächst viel mit ihm und fand heraus, dass sich Mohammed für Länder und Geografie interessierte. In der nächsten Woche verließen sie das Klassenzimmer mit einem Globus. Gelesen wurde bis dahin wenig – Mohammed konnte noch nicht lesen. Nach und nach nahm Frau Böhmer das eine oder andere Buch zur Hand und las Mohammed Antworten auf seine Fragen vor. Immer häufiger interessierte auch er sich für die Bücher. Frau Böhmer ließ ihn erst einzelne Buchstaben, dann kleine Wörter und später mehr lesen. Irgendwann konnte Mohammed lesen, langsam zwar, aber er war Feuer und Flamme. Er las immer, wenn sich die Möglichkeit bot und wurde so im Laufe seiner Grundschulzeit zu einem kompetenten Leser, der das Gelesene auch stets reflektierte. Ich als seine Lehrerin förderte das, wann immer es ging. Ich lasse Arbeitsblätter und vorgegebene Texte oft beiseite und lasse Kinder still in Büchern lesen, die sie sich ausgesucht haben. Die Bücher hängen in einem Beutel an ihrem Schultisch, so dass sie mehrmals am Tag zur Hand genommen werden können. Natürlich gibt es nicht immer eine Frau Böhmer, aber auch ich kann Leseinteresse durch Begleitung entfachen. Für mich ist klar: Die beste Leseförderung ist die Begeisterung. Sie bewirkt, dass ein Kind viel liest und sich stetig verbessert. Und Umgang mit Texten, Anschlusskommunikation ist genauso mit allgemeingültigen Aufgaben zu eigenen Büchern möglich wie in stupiden Leseübungsheften. Nur sind sie viel interessanter!

Kommentare sind deaktiviert